Irgendeine Partei ist immer die leidtragende Seite. Es ist die Seite, die eigentlich nichts Böses getan hat und nun angegriffen wird. Aus der Sicht dieser Partei ist es natürlich richtig “sich zu wehren” oder sogar “anzugreifen”. Ich sage dieser Kriegsbefürwortung “das Alte Testament”. Es ist, wenn man ungerecht behandelt wird, erlaubt, zurückzuschlagen. “Das Alte Testament” legt dafür ganz genau Vorgaben. Es darf kein grösserer Schaden beim Täter entstehen, als beim Opfer verursacht wurde.
Zu was führte dieses “Alte Testament”? Es führte dazu, dass beide Seiten sagten, sie seien die Opfer. Und natürlich nach 20 oder 100 Jahren Krieg, weiss man gar nicht mehr, wer angefangen hat und um was es eigentlich ging. Es wurde geradezu Mode, sich als Opfer zu stilisieren. Dabei vergass man etwas: “Man wollte durch seine eigene Opferhaltung Schaden verursachen”. Es ging nicht mehr darum, dass Gerechtigkeit herrschen würde. Es ging nur noch darum, zu schaden.
Das Witzige: Es ist wirklich möglich jemandem bewusst zu schaden. Man muss einfach möglichst alle Regeln über Bord werfen oder sagen, wie arm man selbst dran ist, um dann Rache zu üben. Das Opfer will den Ausgleich. Doch auf diese Weise wird es keinen Frieden geben, sondern immer nur neue Opfer, die sich wieder als Opfer darstellen und deren Feinde dann wieder Opfer sind. Jesus lehrte uns etwas völliges anderes. Er sagte sich, ich bin kein Opfer, ich nehme es auf mich. Jesus war eines der ersten Opfer, die kein Opfer waren. Er wollte keinen Ausgleich, sondern sagte: “Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun”.
Wieso sollten wir darauf verzichten, anderen zu schaden? Wieso sollten darauf nicht nur verzichten, sondern immer, selbst, wenn wir wirklich das Opfer sind? Es geht hier um die Idee einer besseren Welt. Diese bessere Welt ist eine kleine Chance, aber sie ist nur möglich, wenn wir auf jegliche Gewalt versuchen zu verzichten. Es geht hier darum, Verletzungen zu reduzieren, indem wir nicht mehr zurückschlagen, egal wie berechtigt Gewalt wäre. Es geht hier darum, wenn die Ukraine von Russland angegriffen wird, dass sich die Ukraine sagt: “Wir (Ukraine) wehren uns nicht, es ist besser, wenn es kein neues Leiden gibt”. Und es geht hier natürlich auch für Russland genau da drum: “Wir (Russland) wehren uns nicht, es ist besser, wenn es kein neues Leiden gibt”. Es geht hier um einen bewussten Verzicht auf jegliche Form von Gewalt, in der schwachen Hoffnung, dass so eines Tages das Leiden ein Ende hat. Es geht hier aber auch nicht nur um Gewalt, wie Lügen oder Verrat. Es geht hier um einen Totalverzicht jeglichen Bösen. Denn nur, wenn das Böse kein erneutes Aufrüsten nötig macht, kann das Leiden eines Tages aufhören.
Und natürlich, das Leiden wird nicht aufhören, sondern weitergehen. Denn die Menschen sind Böse und sie wenden immer wieder Gewalt an. Doch, wenn ich als einzelner Mensch mir sage: “Ich will auf alles Böse verzichten”, dann ist das der einzige Anfang und die einzige Möglichkeit, wie es weniger Schmerzen und Leiden gibt. Ohne diesen Wunsch ist es nicht möglich, dass die Kettenreaktion, von den beiden Parteien, wie Russland und Ukraine, aufhören wird. Ohne diesen totalen Wunsch auf Verzicht des Bösen, bleibt das Böse so stark, wie es jetzt ist. Und leider müsste dann, das Land, auf dessen Seite wir sind, sich von einer militärischen Streitmacht überrennen lassen. Wenn aber das ganze Land und jeder im Volk, sich überrennen lässt, weil sie nichts Böses tun wollen, dann werden sie jeden überzeugen können, selbst auch nichts Böses zu tun. Das ist die Hoffnung von einem Volk, dem es egal ist, von wem es regiert wird, einfach, dass nur Frieden durch Liebe herrschen möge.